HUGGERMUGGER GLACÉ – Die Irritation im Zuckerguss, das Klammheimliche oder die Verschwiegenheit der Zuckerglasur

Wandgestaltung von Agnes Fuchs, 2015

In der Installation für die Landesberufsschule Baden verbindet Agnes Fuchs zentrale Themen ihrer künstlerischen Arbeit mit Fragestellungen, die alle Ausbildungszweige der Schule berühren. Die Aufgabe erscheint auf den ersten Blick kaum lösbar, da Bäckerei, Konditorei und Confiserie auf den ersten Blick nichts mit Zahntechnik oder dem Wachsziehen zu tun haben. Doch die Künstlerin fand die Verbindung in der Frage nach Form und Beschaffenheit und entwickelte für die Glasfront des Gebäudes aus Kreisformen zwei verschiedene Grundmuster, die sie als Siebdrucke in die Scheiben einbrennen ließ. Die Kreise sind von der Architektur angeschnitten oder schneiden aus einem weiteren Kreis eine polymorphe Form aus und können so als Positiv- oder Negativform wahrgenommen werden. Durch die Drehung der Muster in unterschiedliche Positionen erhält jede Scheibe eine andere Formenkonstellation.

Agnes Fuchs geht dabei wie in einer wissenschaftlichen Versuchsanordnung vor, in der sie analytisch untersucht, wie sich Form konstituiert und wie wir sie wahrnehmen. Zunächst stellt sich ganz simpel die grundsätzliche Frage, was die Form ist und was der Hintergrund. Wie bedingen sie sich gegenseitig? Was ist das Verhältnis von Material und Form? "Wenn man eine klebrige Masse hochzieht, gibt es einen Punkt, wo sie reißt", so die Künstlerin. Diese Grenze gilt es für sie auszuloten: Neben der Verwendung von deckendem Weiß und einem leicht durchscheinenden Dunkelgrau färbte Agnes Fuchs auch einzelne Scheiben transparent violett – in Anlehnung an den Lackmustest, der in der Chemie mithilfe des Farbstoffs Lackmus zur Bestimmung des pH-Werts, also des Charakters einer wässrigen Lösung eingesetzt wird. Violett ist dabei der Indikator für eine weder saure noch basische Flüssigkeit, "so wie bei klarem Wasser", sagt die Künstlerin.

Während der Lackmustest eine wissenschaftliche Methode darstellt, ist "huggermugger" ein Kunstwort, das in der englischen Sprache für etwas Heimliches, aber auch für Chaotisches – im Sinne von "aus der Ordnunggebracht" – steht. So spricht der zweite Teil des Titels auch eine poetische Ebene der Installation an. Vielleicht verhält es sich dabei eben ähnlich wie bei einer Zuckerglasur, die die Konsistenz dessen, was mit ihr überzogen ist, nur mehr erahnen lässt. (Cornelia Offergeld)

Das Projekt entstand in Zusammenarbeit mit Kunst im öffentlichen Raum Niederösterreich. www.koernoe.at

Weiterführende Informationen unter http://perspektivenaufkunst.net

 

Agnes Fuchs

*1965 in Wien, lebt in Wien, Niederösterreich und Berlin. Studium an derUniversität für angewandte Kunst, Wien. Erhielt u. a. den Kunstpreis Ökologie, den Georg Eisler Preis für Malerei sowie den Anerkennungspreis des Landes Niederösterreich und war Artist in Residence, u.a. am HWK-Institute for Advanced Study, Delmenhorst und 2an der Cité Internationale des Arts, Paris. Ausstellungen u.a. Kunsthaus Zürich und der Kunsthalle Krems (2019), Kunstraum Lakeside, Klagenfurt (2018), CCS, Paris (2012), Kunsthalle, Wien (2011), Aargauer Kunsthaus, Aarau (2009), Galerie Stadtpark, Krems (2004).

Die Arbeiten von Fuchs untersuchen Wahrnehmungsmuster, Formen und Kontexte. Sie sind häufig Versuchsanordnungen oder Recherchen im Grenzbereich von Kunst und Wissenschaft. Die Installation in Baden ist bereits die zweite raumgreifende Arbeit mit dem Material Glas im öffentlichen Raum.

https://agnesfuchs.net